Samstag, 24. Januar 2009
 
Mordanschlag auf deutschen Journalisten in Kasachstan PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von David Schraven   
Dienstag, 22. Januar 2008

Marcus Bensmann ist ein Kollege, der unter anderem für die taz in Berlin über Zentralasien schreibt. Er hat über Massaker und Korruptionsaffairen der Diktatoren berichtet. Auf einer Recherchereise wurde jetzt er fast umgebracht. Der folgende Text stammt aus dem Blog der online taz. Wenn von "unserer" Regierung die Rede ist, dann ist die deutsche gemeint.


Menschenrechte gelten überall, hat Frau Prokop immer gesagt. Auch in Zentralasien. Reporter, die unter Gefahr für Leib und Leben über Menschenrechtsverletzungen berichten, hat sie immer bewundert. Deshalb hätte sie auch gewollt, dass ich Ihnen diesen Text über den mutigen Reporter Marcus Bensmann von seinem Freund David Schraven hier zu lesen gebe:

“Am Sonntag-Morgen, um 8 Uhr und 5 Minuten hat ein Passant Marcus Bensmann im Schnee gefunden. Er lag da, bewusstlos. Sein Gesicht zerschlagen, sein Kiefer gebrochen, seine Hände erfroren. Marcus Bensmann lag im Schnee der kasachischen Hauptstadt Astana. Das Thermometer zeigte minus 20 Grad. Es heißt, Marcus Bensmann sei aus einem fahrenden Wagen hierhin geworfen worden, in das Eis der Steppe.

Wir wissen nicht, ob es ein politischer Anschlag war oder ob Marcus Opfer einer kriminellen Entführung geworden ist. Wir wissen, sie haben ihm ins Gesicht getreten, bis seine Augen brachen. Wir wissen, sie haben ihn in das Eis geschmissen. Wir wissen, es war ein Mordversuch.

Marcus Bensmann ist ein Freund. Und ein Journalist. Er schreibt seit Jahren über Zentralasien, für die Neue Zürcher Zeitung, für dpa, die ARD und die taz. Dabei ist er einer der wenigen, die nicht über die schönen Berge fabulieren oder die Seidenstraße. Marcus schreibt über Kinderarbeit in den Baumwollfeldern. Er schreibt über den Fall Musafar Avazow in Usbekistan. Über den Mann, der im Gefangenenlager Yaslik gekocht wurde. Marcus hat die Beweise besorgt, Fotos der entstellten Leiche. Marcus hat gezeigt, wie Rücken, Bauch, Beine und Arme des vierfachen Vaters eine einzige Brandblase bildeten.

Und Marcus hat über das Öl Zentralasiens geschrieben und über das Gas. Wer es kauft, wer es haben will und wer das Schmiergeld kriegt. Das sind Geschichten über Gazprom und anderen gierige Konzerne. Die Berichte von Marcus Bensmann waren teuer. Sie haben die Despoten in ihren Geschäften gestört.

Marcus hat darüber geschrieben, nicht weil es ihm Spaß machte. Sondern weil es wichtig ist für uns alle. Wir Deutsche haben Interessen in der Region. Wir Deutsche machen Politik in der Region. Unsere Soldaten stehen in Usbekistan. Wir zahlen Geld an das Regime in Usbekistan. Wir wollen Zugang zu den Gaslagerstätten in Usbekistan. Und: Unsere Politiker hofieren die Greuelherrscher der Region.

Marcus Bensmann wollte aufklären, bei welchen dreckigen Geschäften sich unsere Außenpolitik unter ihrem Minister Frank-Walter Steinmeier mitschuldig macht. Marcus deckte auf, dass sich Steinmeier in der EU dafür eingesetzt hat, die Sanktionen gegen Usbekistan zu lockern.

Während er gleichzeitig als Friedensapostel im Nahen Osten auftritt. Zuletzt hat Marcus Bensmann einen Bericht für das ARD-Magazin Monitor über die degoutante Politik des deutschen Außenministers gemacht. Der Anlass hier war schrecklich. Der usbekische Exiljournalist, Alisher Saipov, war vor seinem Haus in Kirgistan vom usbekischen Geheimdienst erschossen worden. Zwei Schüsse in die Beine, einer in den Kopf.
Saipov war ein enger Kollege von Marcus Bensmann. Der Mord am Reporter war kein Anlass für den deutschen Außenminister seine freundliche Haltung gegen den Diktator zu überdenken.

Mit seinen Berichten lüftet Marcus das Tuch des Schweigens, das über diese verdorbene Politik geworfen wird. Nach außen ist der SPD-Mann ein Strahlegesicht, das sich in den Umfragwerten sonnt. Nach hinten wird das Steinmeier-Grinsen zu einer zynischen Fratze, wenn er sich in Brüssel für den Menschenverächter Karimow einsetzt. Marcus hat die Beweise gesammelt.

Ein Beispiel: Marcus war 2005 im usbekischen Städtchen Andischan am Tag des Massakers, als Hunderte abgeschlachtet wurden. Er überlebte den Kugelhagel. Er sah die Leichen. Er rannte mit den Überlebenden, er versteckte sich im Graben vor den Maschinengewehrsalven. Und Marcus berichtete und berichtet weiter darüber. Er lässt die Toten nicht vergessen. Er schreibt an gegen die Verharmloser, gegen die Abwiegler, gegen die Vertuscher. Die auch in Deutschland, im Außenministerium sitzen. Und dort für die Rehabilitierung der usbekischen Schlächter antichambrieren.

Das Auswärtige Amt nimmt Marcus diese Arbeit übel. Immer wieder kamen Zwischentönen aus dem Amt, die Marcus Arbeit diskreditieren sollten, die ihn beleidigten. Im diktatorischen Zentralasien konnten diese Signale nur so gedeutet werden, dass die Deutsche Regierung kein Interesse am Wohlergehen des Journalisten Marcus Bensmann habe.
Marcus war auch jetzt in Kasachstan, um die Wahrheit zu berichten. Über das, was jenseits der Propaganda geschieht. Marcus Bensmann ist während seiner Arbeit zerschlagen worden.
Als Marcus im Krankenhaus lag, schaute ein Botschaftsangestellter nur kurz vorbei. Und verschwand wieder. Dem Autoren gegenüber machte der Diplomat nachher telefonisch deutlich, dass ihn der Journalist nicht interessiere. Schnell hieß es, der Überfall könne nur einen kriminellen Hintergrund haben. Marcus sei betrunken gewesen. Na und?
Fakt ist: Marcus war Samstagabend in einer Kneipe. Als er die Kneipe verließ, verschwand er und wurde einige Stunden später aus einem fahrenden Wagen geworfen. Wir wissen nicht, ob ihm den Tag über Geheimdienstbeamte gefolgt sind, um eine günstige Gelegenheit abzuwarten, einen staatlich gelenkten Anschlag wie eine „normale” Verschleppung aussehen zu lassen. Wir werden es vielleicht nie erfahren.

Wir wissen aber auf jeden Fall, Marcus ist das Opfer eines Verbrechen. Und wir wissen er demaskiert mit seinen Berichten die zynische Politik des deutschen Außenministers Steinmeier in Zentralasien.

Marcus Bensmann hat den Mordversuch überlebt. Er ist zurück in Deutschland. Die ARD hat ihn rausgeholt. Dafür gebührt ihr Dank. Wir werden sehen was kommt.”

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